6 Die malerische Feuerwerdung

Während bis zu diesem Punkt ein Konzept vorprägend war, welches sich mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen und der Geschichte von Orten beschäftigte, die sich mir auch für eine subjektive Auseinandersetzung anboten, findet sich hier ein neuer Arbeitsansatz. Schon am Anfang der Arbeit kann man erkennen, dass mein Einsatz von Feuer hier auch einem gestalterischen Ansatz folgt. Die entzündeten Findlinge bei „Des Dorfes Delm Feuerwerdung“ und weiteren gezielte Platzierunen/Inszenierungen von Feuer an ausgewählten Orten mögen dies belegen. Schon relativ früh stieß ich im Entwicklungsprozess meiner Feuerkarte auf malerische Konzepte, die das Feuer als Handwerkszeug mit in ihre Arbeit einbezogen. In meinem eigenen künstlerischen Werdegang hat die Malerei immer schon einen hohen Stellenwert gehabt. In seriellen Arbeiten experimentierte ich sowohl mit den Ausdruckmöglichkeiten des Mediums Farbe, als auch mit dem Grenzbereich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Um den kreativen Fluss aufrecht zu erhalten, bediente ich mich häufig inspirierender Materialen und Dinge oder sogar dem intervenierenden Pinselstrich anderer Künstler(62). So entstanden Bilder, die einerseits auf einen expressiv malerischen Gestus und Interpretationsspielraum angelegt sind, und andererseits meist auch einem bestimmten belebenden Element gewidmet waren (siehe Feuerkarte). Dieses Element musste nun zwangsläufig das Feuer sein, welches in seiner bedingten Kontrollierbarkeit meiner Malerei (gleich den Feuerpflanzen) ein neues Leben einhaucht: Die „Feuerwerdung“ meiner Malerei.

6.1 Experimentalphase III

Wie kann man Feuer malerisch nutzen? Zuerst versuchte ich Pigmente und Acrylfarbe direkt mit Benzin zu mischen. Ich erhielt verschiedene Pasten, die ich dann sofort auf die erste Leinwand auftrug. Immer wieder zündete ich dann diese Pasten an. Resultat war, dass die Leinwand zum Teil mit verbrannte, außerdem büßten die hochwertigen Pigmente viel von ihrer Strahlkraft ein. Das erste Ergebnis (vgl. Abb.) fiel eher ernüchternd aus: Von der Energie des Feuers, welche ich auf der Leinwand festhalten wollte, war relativ wenig zu spüren. Näher kam ich diesem Bestreben, in dem ich erst malte und Bilder erschuf, die dann später durch das Feuer vollendet werden sollten. Dadurch, dass ich erst nach dem ersten malerischen Vorgang Benzin benutzte, um auf der noch feuchten Acrylfarbe zu arbeiten, geriet die Leinwand nicht so schnell in Mitleidenschaft. In mehreren Brennvorgängen begann ich regelrecht die Farbe auf den Bildern zu kochen. Die Schwierigkeit dabei war vor allem, den richtigen Moment abzupassen, bevor das Feuer, das formell gesprochen erst einmal Neues im Bild erschuf, seine destruktive Seite in den Vordergrund rückte. Um auf die destruktive Seite des Feuers weniger Rücksicht nehmen zu müssen, um das Feuer als alleiniges malerisches Mittel zu nutzen, stieg ich später (vgl. Kap. 6.3) auf eine selbstgebaute Stellwand aus Aluminium um, und experimentierte nicht mehr mit der Modifizierung von herkömmlicher Acrylfarbe durch das Medium, sondern mit dem direkten Erscheinungsbild von Feuer. In dem Flüssigkeiten mit verschiedenen chemischen Beimischungen benutzt wurden, änderte sich die Farbe des Feuers, so dass der gestalterische Spielraum wuchs.

6.1.1 Otto Piene (*1928) – Ein Feuermaler

Einen großen Beitrag für die malerische Annäherungen an das Feuer leistete die Beschäftigung mit dem Werk Otto Pienes. Der Besuch der Ausstellung „Otto Piene :spectrum“, die anlässlich der Verleihung eines Preises der Kulturstiftung Dortmund 2008 für sein Lebenswerk eingerichtet worden ist, wirkte recht nachhaltig auf mich. Intention dieser Ausstellung war es, einen Querschnitt des Gesamtwerks Otto Pienes abzubilden (63), und so beinhaltete sie neben Rauchzeichnungen, Lichträumen, Inflatables, Keramiken, Dokumentationen seiner lehrenden Tätigkeiten am CAVS (Center for Advanced Visual Studies) in den USA und seinen Arbeiten im öffentlichen Raum, auch großformatige Feuerbilder. Diese Feuerbilder sind im Gegensatz zu meinen „Feuerböcken“, deren Beschreibung im nächsten Kapitel folgt, mehr auf ein einzelnes „Feuerzentrum“ fixiert, von dem der Effekt der Feuerbearbeitung ausgeht. Nicht die Zerstörung durch das Feuer liegt im Fokus seiner Arbeiten, sondern die Möglichkeit, mit einem Naturelement „Wandel“ zu erzeugen. Diese Möglichkeit, eine Metamorphose durch die Natur auszulösen, transformiert er nach Pörschmann in einen Wunsch: nämlich „in der Auseinandersetzung mit Kunst , egal ob als Kunstschaffender oder Betrachter und Teilnehmer – stetig verwandelt werden zu können.(64) Dieser Wandel vollzieht sich auch in den "Feuerböcken“.

6.2 Malerei: Die „Feuerböcke“

Die „Feuerböcke“ (als Serie von 18 verschiedenen Arbeiten) hier einzeln zu beschreiben, würde den Rahmen dieses schriftlichen Arbeit sprengen, so dass ich die hier vorliegende Dokumentation auf einige stilgebende Merkmale reduziere.
Eines dieser Merkmale ist mit Sicherheit die Expressivität bzw. die Emotion, die diese Bildern tragen. Durch den teils sehr intuitiven Auftrag von relativ reinen Farben, das Benutzen von verschiedenen Werkzeugen, die die Farbe verteilen, und die nachträgliche Bearbeitung mit einer brennenden Flüssigkeit sind Formen entstanden, die verschiedenen Assoziationen des Betrachters Spielraum lassen. Am Anfang der Entwicklung der Serie  standen  komplexere Formen im Mittelpunkt, die im späteren Prozess reduzierteren, existenzielleren Formen weichen sollten.
Ein weiteres Merkmal ist der etwas ungewöhnliche Rahmen für die Leinwand. Die Unterstellböcke für Tischlerarbeiten etc. nehmen unter anderem Bezug auf die Feuerböcke, wie sie schon im Mittelalter benutzt wurden (65) und dazu dienten, etwas (zu Kochendes) im gewissen Abstand über dem Feuer zu halten. So treten dann auch meine Feuerböcke in Erscheinung, denn sie hatten im übertragenden Sinn genügend Abstand zum Feuer, sonst wären die Malereien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Verbrennungsmerkmale, die jetzt Teil der Arbeit sind (Löcher in der Leinwand, blasenartige Strukturen und Rückstände vom Rauch) haben zur Bildwerdung beigetragen. Farben, die vorher nicht zusammenpassen schienen, hat das Feuer durch die Rauchrückstände zusammengebracht. Das Feuer hat das Bild letztendlich zu einem Feuerbock werden lassen. Das Feuer hat ähnlich wie in Pienes Arbeiten (vgl. 6.1.1) einen Transformationsprozess erwirkt: Böcke werden zu Bildern und Bilder werden zu Feuerböcken. Denn ein richtiger Feuerbock ist erst einer, wenn er auch im Feuer stand.(66)

“Schwarzkopf”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Regenbogengewitter”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Blauwerdung”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


 
“Aus den Tiefen ins Licht“ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


 
“Feuer hinterm Rot”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Empfang”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Phallus”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Buntes Treiben”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Zuviel des Guten Bösen“ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Grüße an Otto”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Geht nicht”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


 
“Im Kreis”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Der Weg des Blaus“ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Das Lila im Gelb“ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Feuerfängnis”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Rotes Orange”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Von der Unterwelt”ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


“Liebes Gelb, ich wollte dir gar nichts tun“ca 58 x 68 cm, Acryl und Feuerrückstände auf Leinwand,Leinwand auf Unterstellbock, 2009 | © Johannes Lührs


6.3 Videomalerei (67): Das Feuer als direktes bildnerisches Mittel

Während auf dem Leinen der Feuerböcke mit dem Feuer indirekt gearbeitet wurde, d.h., der Betrachter wird mit dem Resultat einer Bearbeitung mit Feuer konfrontiert, wird hier das Feuer als direktes strukturgebendes Element genutzt. Ich kehre mich hiermit von einer Definition von Feuermalerei ab, die sich einerseits als „Kunst, Farben mit Hülfe des Feuers auf verschiedenen Stoffen zu befestigen“, versteht und andererseits von einer „Kunst, die Wirkung der Feuerbeleuchtung in Gemälden wiederzugeben“(68) versucht. Als „Malgrund“ benutzte ich eine eigens dafür hergestellte Stellwand aus großen Aluminium-Blechen (2m x 2m). Die Stellwand kann man in ihrem Neigungswinkel variieren, so dass aufgetragene brennbare Flüssigkeiten nicht (so schnell) herunterfließen. Mit einem Geliermittel für brennbare Flüssigkeiten schränkte ich zudem die Viskosität der Flüssigkeiten ein. Mit den so erhaltenen Brennpasten, die ich in Spritzflaschen abfüllte, konnte ich relativ exakt auf dem Untergrund arbeiten. Aufgrund der Vorerfahrung mit der „Feuerbemalung“ von Natursteinen am ehemaligen Dorf Delm wusste ich um eine bestimmte Schwierigkeit: Figürliche Darstellungen sind aufgrund der lebendigen Erscheinungsform einer Flamme nahezu unmöglich, d.h. Linien verschwimmen und eignen sich nicht, um feine, detailierte Zeichnungen anzufertigen. Ich konzentrierte mich deshalb vor allem auf einfache Strukturen, das Feuer sollte selbst das Bild generieren. Die Malerei mit dem Feuer wird so zu einer formreduzierten Malerei, die sich dafür allerdings ständig wandelt und einen Prozess beschreibt. Als einzige Möglichkeit, einen Betrachter in einen solchen „Feuerwerdungprozess“ mit einzubeziehen, sah ich zuerst die Live-Performance, entschied mich letztendlich aber zugunsten einer Videoaufzeichnung, auch weil mir dadurch einige nachträgliche Bearbeitungsmöglichkeiten offenstanden (Bildausschnitt, Wiederholungen und Überblendungen etc.) und zudem die Vergleichbarkeit verschiedener Arbeiten möglich wurde.
Entstanden sind so Arbeiten, die zum Teil an andere Naturphänomene erinnern (Video 1, 2), sich mit geometrischen Mustern beschäftigen (Videos 3 - 6), einen mythologischen Kontext miteinbeziehen (Video 7) oder um eine eigenständige, sich nur selbst verpflichtende Form bemühen, wie die abstrakten Arbeiten (Videos 8- 10). Alle dieser Arbeiten sind sich ständig verändernde Malereien und so fangen sie ein maßgebliches Wesen des Feuers ein: Den Regenten des Wandels. (vgl. Kap. 2.3.)

Videomalerei 1 “Platzregen”0:25min, 2009 | © Johannes Lührs



Videomalerei 2“Feuerplanze”0:45min, 2009 | © Johannes Lührs


Videomalerei 3“So war das in der Silberstraße”0:54min, 2009 | © Johannes Lührs

 
Videomalerei 4“So war das in der Silberstraße”1:07min, 2009 | © Johannes Lührs



Videomalerei 5“Ein weites Feld”0:47min, 2009 | © Johannes Lührs

 
Videomalerei 6 “Das Wachsen und das Schrumpfen”0:56min, 2009 | © Johannes Lührs

 
Videomalerei 7“Himmel und Hölle”1:37min, 2009 | © Johannes Lührs

 
Videomalerei 8“Abstrakt I”0:46min, 2009 | © Johannes Lührs


Videomalerei 9 “Abstrakt II”1:02min, 2009 | © Johannes Lührs


 
Videomalerei 10“Abstrakt III”1:18min, 2009 | © Johannes Lührs

Quellen:
(62) Vgl. Malperformance mit Kaj Fischer am 14.12.2007, zur Eröffnung der Ausstellung „Exlebiment I“ 
(63) Vgl. Frommknecht, H.: „Grusswort“; in: Wettengl, K.; Grothe, N. (Hrsg.): „Otto Piene: spectrum“, Katalog, Dortmund, 2008, S.5
(64) Pörschmann, D.: „Reine Momente der Klarheit“, in: Wettengl, K.; Grothe, N. (Hrsg.): „Otto Piene: spectrum“, Katalog, Dortmund, 2008, S. 15 
(65) Vgl. Artikel bei der deutschsprachigen Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Feuerbock (Stand 31. Juli 2009) 
(66) Vgl. Wikipedia, a.a.O.: „Die , die in der archäologischen Literatur als solche bezeichnet werden, sind in der Regel keine Feuerböcke. Als solche müssten sie paarweise auftreten und Brandspuren aufweisen – beides ist kaum der Fall. Die Deutung dieser Gerätschaften geht daher eher in Richtung Kultgerät.“
(67) Ich benutze hier den Begriff der Videomalerei, weil er meiner Ansicht nach am ehesten für ein solches Projekt zutrifft, welches mit Hilfe der Videoaufzeichnung diese Art Malerei erst zugänglich macht.
(68) Pierer, H.A.: „Pierer's Universal-Lexikon“, Band 6., Altenburg, 1858, S. 243