7 Die „Feuerwerdung“ im performativen Kontext


Als Synthese vieler Ansätze, die ich im Laufe dieser Arbeit verfolgt habe, stellt sich die künstlerische Umsetzung auf performativer Ebene dar. Während die Photodokumentationen, die Videoarbeiten und die malerischen Ergebnisse sich differenziert mit Einzelphänomenen und diversen Deutungsaspekten des „universalen“ Mediums Feuer auseinandersetzen, ermöglicht die Performance die direkte Wahrnehmung des Elements mit allen Sinnen. Das Feuer „brennt“ sich real in die Wahrnehmung des Betrachters und der Künstler ein.

7.1 Experimentalphase IV
Da die performative Arbeit sehr stark durch meine Aktivitäten und Erfahrungen in der Künstlergruppe „Evil Flames“ vorgeprägt ist, bedurfte es einer mentalen Loslösung von dem bisherigen Nutzungskonzepts innerhalb der Gruppe. Als ein in erster Linie ästhetisches Mittel für die visuelle Erweiterung von Zirkuskünsten benutzt, sollte das Feuer nun auch auf performativer Ebene seinen Weg aus den vorgefertigten, lange gewachsenen Denkmustern beschreiten. Neue Energie. Energie und Mut zum Experiment. Es sollte ein Experiment mit einem dem Akteur vertrauten Medium sein, das dem Betrachter allerdings nicht sehr vertraut ist (vgl. Geschichte der Menschen mit dem offenen Feuer). Die erste Performance in diesem Sinne plante ich für die Eröffnung einer Ausstellung befreundeter Künstler. Sie dokumentiert meine Suchbewegung nach dem Essentiellen in dem Medium (meinen Weg der künstlerischen Sozialisation) und durchläuft so verschiedene Stationen. Auf abstrakter Ebene werden beinahe alle zentralen Aspekte dieser Arbeit angesprochen. Michael Kreiker (vgl. Kap. 3.1.1.) konnte ich von meinen Ideen überzeugen, so dass er innerhalb seiner Bühnenrolle Teil dieser Performance wurde.

7.1.1 Kain Karawahn II – Feuer in der Performancekunst
Karawahn muss an dieser Stelle nocheinmal erwähnt werden, da seine Herangehensweise an das Feuer im performativen Kontext wegbereitend für viele (meiner) neuen Impulse war. Anhand der lebhaften Beschreibungen seiner Performances(69) und der gut dokumentierten Aufzeichnungen kann man die Aktionen sehr gut nachvollziehen und so bediente ich mich auch hier einer Beschreibung der Performance, die erstens an Karawahn und zweitens an moderne Theaterplots erinnern.
Erstmals taucht in diesen performativen Zusammenhang das „Ich“ auch visuell in einer Arbeit auf. In der Performance spiele ich mich (im Gegensatz zu Karawahn) selbst. Ich bin der Künstler, der auf der Suche nach dem „Feuer“ im Feuer ist. Wie im chronologischen Prozess der „Feuerwerdung“ durch diese Arbeit, vollzieht sich auch hier eine Wandlung meiner Person. Einer Person, die nach dieser Arbeit, buchstäblich einmal durch das Feuer gegangen ist.

7.2 Performance: „Die Feuerwerdung“
Charaktere:
Feuerbeschützer und Feuermaler – Johannes Lührs
Beherrschter des Feuers – Michael Kreiker
Handlung:
Der Feuerbeschützer, ausgestattet mit einer Art Raumanzug mit einem aufgenähten Hahn, durch den alle negativen Einflüsse blockiert werden (vgl. Performance für Tiere, „es gibt wichtigere Dinge zu tun“), betritt die Bühne, während der Beherrschte des Feuers gegen den imaginären Wind ankämpfen muss, der aus den Boxen schallt. Der Feuerbeschützer zündet den Kinderwagen an. In dem Kinderwagen liegt ein Alien, das
symbolisch aus dem Feuer geboren wird (vgl. das konstruktive Moment des Feuers z.B. in der Videoinstallation „Feuerpflanzen“).
Der Beherrschte des Feuers kann mit dem Alien nichts anfangen, das Alien erinnert ihn an Feuersbrünste; er ist von seinem negativen Feuerbild geblendet. Die Dekonstruktion durch das Feuers nimmt seinen Lauf, seine gefährliches Potenzial rückt in den Vordergrund (vgl. Videoarbeit „Feuertrunken“). Der Feuerbeschützer verwandelt sich in den Feuermaler, der allerdings erst noch von der destruktiven Ebene des Feuers mitgerissen wird (Der Kinderwagen wird umgeschmissen/ Feuerschlucken). In dem Moment, in welchem der Feuermaler ein Schwert ins Feuer stößt, wandelt sich das Bild wiederum. Die eigentlichen Waffen werden zu einem Feuertanz missbraucht. (vgl. Universalität, Dualität des Feuers). Der Feuermaler erscheint anschließend mit einen Feuerstab auf der Bühne und bewegt sich anmutig mit dem Jonglierrequisit. Allerdings hat er sich vorher eine Clownsnase aufgesetzt, so dass man ihn an dieser Stelle nicht ganz ernst nehmen kann. (Abkehr von der rein ästhetischen Perspektive) Anschließend ergibt sich aus dem Ganzen ein „Spiel mit dem Feuer“, allerdings im positiven Sinne: Es wird mit Feuerinstrumenten musiziert. Dann erwacht die Seele des Feuermalers und er verwandelt die Bühnenfläche in ein durch Feuerspuren dominiertes Areal (vgl. Videomalerei), während der Beherrschte des Feuers seiner Lieblingsbeschäftigung frönt: dem Feuerspucken.

Quellen:
(69) Vgl. Böttger, T.; Wunderlich, R. (Hrsg.):„Kain Karawahn – Wie mache ich Kunst ohne mir die Finger zu verbrennen?“, Katalog, Werke 1983-1991, Göttingen, 1991